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Gedanken zur Fehlerkultur

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Angaben zur Autorin

Fehler machen uns zu dem was wir sind

Wir können Fehler, die uns unterlaufen, grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten einteilen:
  • Sie können einerseits einen beschämenden und erniedrigenden Charakter haben, weil sie unsere eigene Unfähigkeit demonstrieren oder
  • sie können kulant aufgegriffen werden als Stationen auf dem Weg zu einem besseren Verständnis.
Geht man beiden Haltungen auf den Grund, unterscheiden sie sich zentral:

Ein Fehler - zwei Haltungen

Die eine Haltung beinhaltet Versagensangst und die andere ist eine angstlose, entspannte Haltung.

Versagensängste

Fehler sind dann beschämend, wenn wir an uns selber hohe und harte Erwartungen stellen:
  • Das musst du doch können!
  • Nur wenn du gute Noten schreibst, hast du anständige Jobaussichten.
  • Streng dich an, es geht schliesslich um deine Zukunft!
  • Nur ein erstklassiges Studium ist Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere!
Stehen diese Forderungen im Raum, erstaunt es nicht, wenn Fehler als gefährliche Angelegenheit erscheinen. Ängste dieser Form schüren eine eiserne Erwartungshaltung gegenüber uns selber: die gesetzten Aufgaben müssen erfüllt werden, es darf kein Scheitern geben!
Im schulischen Umfeld mündet diese Haltung in der Angst, nicht zu bestehen. Nicht zu bestehen vor Freunden, Familien, Bekannten. Kurz: als Versager dazustehen. Wenn wir von uns selber eisern und hart verlangen, die gestellten Anforderungen mustergültig zu meistern, ist jeder Fehler eine unnötige Zeitverzögerung und zugleich ein Misserfolg, weil die eigene Leistung den gestellten Erwartungen nicht genügt.
Ein tragischer Satz, zumal so viel gute Absicht in ihm liegt. Gerne würden wir all das, was von Aussen an einen herangetragen wird, zur Zufriedenheit aller erledigen.
Handelt es sich um persönliches Versagen wenn dies nicht gelingt? Oder um einen uneinlösbaren Anspruch, der logischerweise in Überforderung mündet? Reicht es denn nicht, dass wir dasjenige, was wir tun, gut zu tun versuchen? Unabhängig davon, ob wir dabei die Erwartungen erfüllen? Wir sind bekanntlich uns selber gegenüber die härtesten Richter, während wir zum Beispiel bei unseren besten Freunden viel grosszügiger sind. Es ist sonnenklar, dass wir unsere Freunde gerade deshalb mögen, weil sie so sind wie sie sind, unabhängig von Status, schulischem Abschneiden, Erfolg usw.
Wenn es um uns geht, sind wir nicht so kulant uns selber gegenüber.
Sind wir insgeheim der Auffassung, wir müssten Leistungen erbringen und Erfolge vorweisen können, damit wir uns anderen zumuten können?

relax

Zuweilen mildern sich die Selbstvorwürfe, wenn wir davon wegkommen, Perfektion in jeder Hinsicht von uns selber zu verlangen; es kann wie ein tiefes Ausatmen wirken, wenn wir uns für einmal für unsere Fehler, Dummheit, Ängste und Hoffnungen nicht verurteilen, sondern sie als heimliche Geschichten betrachten, die wir mit uns herumtragen und die uns zu dem machen, was wir sind. In diesem Sinne: lernt aus Euren Fehlern und entwickelt Euch weiter.      
Gerade in der Zeit des Gymnasiums beginnen sich eigene und fremde Erwartungen stark zu vermischen. Die geäusserten Sätze könnten ebenso gut von kritischen Eltern stammen, werden aber mit der Zeit verinnerlicht zu Ansprüchen an uns selber.


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Autorin dieser Serie über die Fehlerkultur ist Miriam Vögele.